Was Spaß macht

Ich war drüber. Ich konnte meine innere Gelassenheit einfach nicht mehr spüren. Ich konnte mich an meinen Vorsätzen nicht mehr festhalten. Schon wieder! Dabei war es doch noch gar nicht so lange her, als ich tolle Menschen traf, die mit mir Wege erarbeiteten um dem ganzen zu entfliehen. Und jetzt, so kurz danach, war ich schon wieder an einem Punkt, an dem ich nicht sein wollte. Ja gewiss, ich war noch nicht so weit wie zuvor, aber ich hatte die Befürchtung in kürze dort anzukommen. Alte Gewohnheiten lassen sich selten einfach so mit guten Vorsätzen abschütteln. Und auch alle klugen Sprüche prallen irgendwann an einem ab, wenn man sich selbst nicht raus nehmen kann. Also wandern!

Wie jeden Sonntag mache ich mich auf den Weg. Diesmal erst mit dem Auto nach Ratingen. Dort soll es eine Wanderroute, einen Rundgang, am Angerbach geben. Die Bilder sind schon vielversprechend und so fahre ich los. Am Ziel meiner Fahrt befinde ich mich in Ratingen Ost zwischen SAP, Mitsubishi Electric und dem Bahnhof. Ich ziehe die Wanderschuhe an, schnalle den Rucksack auf und begegne keine 5 Minuten später zum ersten mal dem Bach. Von Hektik zur Ruhe in so kurzer Zeit ist schon beachtlich, denke ich, denn hier dürfen bereits keine Autos mehr fahren. Ich schaue auf das Wasser und stelle mich darauf ein, die gewählte Strecke in einem Zustand meditativen Denkens zu verbringen. Langsam spüre ich wo ich bin und gehe weiter. Es geht direkt mal mit einer Steigung los und ich freue mich, mich endlich mal wieder im dreidimensionalem Raum zu bewegen. Natürlich hat Wandern auch seinen Reiz ohne Berge zu erklimmen, aber ich kann irgendwie besser denken wenn ich mich dabei körperlich anstrengen muss.

TheA hat mir geraten, mal auf den Wald zu hören. Welcher Baum mich ruft, da sich der Baum nämlich mich aussucht. Ich bin gespannt, jetzt wo ich im Wald angekommen bin. Aber ich spüre nichts. Ich werde nicht gerufen und ich fühle mich auch nicht zu etwas hingezogen. Ich spüre jedoch eine Verspannung im Nacken, die darauf hindeutet das ich mich nicht wirklich entspanne. Also überlasse ich meinem Körper die Entscheidung über meine Geschwindigkeit in der Fortbewegung und gehe bewusst langsamer. Ich kann nicht immer alles bestimmen und warum diese Eile? Zur Ruhe kommen ist kein Sprint. Ich schaue den Weg entlang, sehe die Bäume, die Blätter, den Bach und eine Felsformation. Ich halten bei den Steinen an und lege meine Hand darauf. Sie fühlen sich kühl und seltsam vertraut an. Ich schaue nach oben und sehe den blauen Himmel. Ich schliesse die Augen und spüre die Sonne in meinem Gesicht. So weit weg und doch so nah.

Entfernung ist an den Betrachter gebunden, denke ich in diesem Moment. Wenn zwei Menschen zur gleichen Zeit auf die Sonne schauen, so sehen sie den gleichen Stern, spüren die gleiche Wärme und bekommen das gleiche Licht. Also sind sie sich näher, als die Entfernung mit der sie zueinander stehen es uns glauben macht. Mir fällt ein, dass wir uns ständig in der Luft bewegen. Die Luft, die zwischen der Ozonschicht und unserem Planten ist, besteht aus Molekülen. Wenn ich jetzt also die Hand ausstrecke, verdränge ich die Moleküle in einer nicht endenden Kettenreaktion. So kann ich mit Hilfe der Luft einen anderen Menschen berühren, selbst wenn ich weit von der Person entfernt bin. Der Gedanke ist schön und erklärt, warum wir oft spüren wenn sich eine uns nahestehende Person nicht gut gefühlt oder Sorgen hat. Auch wenn eine große Distanz zwischen uns liegt.

Ich gehe weiter meines Weges und bekomme Antworten auf Fragen, die mich schon den ganzen morgen beschäftigen. Los lassen scheint eine wirklich gute Strategie zu sein, da sich meine Laune hebt und mein bisheriger Weg wirklich schön war. So stelle ich mir eine Wanderung vor. Auf und ab, über Felder und Wiesen, durch Wälder und an Bächen entlang. Es ist wirklich schön hier. Zudem kommt nun etwas, was ich beim Wandern wirklich toll finde. Schmale Pfade die mitten durch die Natur gehen. Und zu meiner großen Überraschung direkt am Wasser entlang. Ich stapfe durch morastiges Gebiet, in der Nacht zuvor hatte es stark geregnet, und ich muss hier und dort wirklich schauen wie ich weiter komme. Ich springe über einen umgestürzten Baum und der Matsch spritzt unter meinen Schuhen hervor als ich lande. Ich lache und freue mich wie ein kleines Kind. Ich bin 50 Jahre alt und springe hier von Pfütze zu Pfütze und stapfe durch den Schlamm. Ich habe vergessen wie lustig das ist. Das macht richtig Spaß!

Als ich mich wieder auf festen Wegen befinde, stelle ich fest, dass ich gar nicht weiß was mir Spaß macht. Ich weiß nur was mir keinen Spaß macht. Sehr erwachsen. Und gar nicht so untypisch für mich. Ich beschliesse künftig neue Dinge auszuprobieren und Kindheitserinnerungen nachzuspüren, vielleicht finde ich ja ausser Schlammspringen noch etwas was mir Spaß macht. Mein Ärger von heute morgen ist jedenfalls komplett verraucht und hat sich aufgelöst. Mein Gedankenkarussel ist zum stehen gekommen und hatte alle negativen Emotionen im Waldmatsch gelassen. Geblieben ist viel Dreck an meinen Schuhen, an meinen Beinen und ein breites Grinsen in meinem Gesicht. Und die Erkenntnis schon zwei Sachen gefunden zu haben die mir Spaß machen. Nach 17 km komme ich entspannt und wohlig erschöpft wieder an meinem Auto an. Ich tausche die Schuhe und fahre befreit nach Hause.

2 Kommentare bei „Was Spaß macht“

  1. […] Probleme die aufbereiten werden müssten, und auch sonst nichts worüber ich nachdenken müsste. Ich bin nach wie vor auf der Suche nach meinem Baum, aber das scheint mir unlösbar. Woran erkennt man ihn? Und wie höre ich ihn denn rufen? Da wird […]

  2. […] uns finden? Das sie uns aussuchen? Ich fang mal vorne an. Sonntag, wandern, ihr kennt das ja schon. Und ich habe immer noch keinen Baum gefunden. „Na ja, dann soll es wohl nicht sein“, denke ich am Abend zuvor. Ich habe mir einen Wanderweg […]

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